Sei stark - Sei zärtlich - Sei Berlin
Der 5. Dezember 2007. Ich, Knut, der kleine Eisbär aus dem Berliner Zoo, bin jetzt ein Jahr alt geworden. Heute war mein Geburtstag.
Es ist spät am Abend. Es ist still geworden im Zoo. Sie sind alle fort: All die vielen Medienleute mit ihren großen Autos, ihren vielen Mikrofonen und Kameras. All die vielen Touristen und Besucher aus der ganzen Welt, die eigens für diesen Tag nach Berlin gereist waren. Und auch meine treuesten Fans: Die Blogger aus den verschiedenen Knut-Blogs . Die Rbb-Blogger trugen hübsche Schals, mit Bildern von mir. Auf einem bin ich mit meinem Papi Thomas zu sehen, wie ich an seiner Hand nuckere. Das liebe ich besonders.
Auch viele andere sind gekommen. Doch bei allen Unterschieden haben sie eines gemeinsam: Sie lieben mich alle sehr, können sich an mir nicht satt sehen, fotografieren mich, reden und schreiben ununterbrochen von mir. Als sei ich etwas ganz Besonderes.
Ich BIN etwas Besonderes. Das sagt nicht nur mein Papi Thomas und meine Onkels Ronny und Marcus sowie Tante Silvia. Die sind meine Menschenfamilie. Eigentlich sind sie nicht meine richtige Familie. Meine richtigen Eltern heißen Lars und Tosca und wohnen nebenan im großen Eisbärengehege. Aber die haben sich leider nicht um mich gekümmert.
Das übernahm stattdessen Thomas Dörflein, seit 25 Jahren Tierpfleger im Berliner Zoo.
Die Frauen vor der Anlage sagen immer, er wäre ein toller Kerl, ein Traummann.
Für mich jedoch wurde er zärtliche Mutter und toller Vater in einem. Er wachte Tag und Nacht bei mir, fütterte und badete mich und spielte mit mir. Er ließ mich an seinen Fingern saugen, damit ich in Ruhe einschlafen konnte. Er verzichtete Schlaf, Freizeit und Familienleben. Er tat alles, was Menschenmütter für ihre Babies machen.
Das alles konnte er natürlich unmöglich allein schaffen. Dabei unterstützten ihn seine Kollegen Ronny Henkel, Marcus Röbke und Sylvia Weckert. Auch sie kümmerten sich liebevoll um mich. Das alles taten sie neben ihrer ständigen Arbeit, denn es gibt ja außer mir im Bärenrevier noch viele andere Tiere. Die wollen auch essen und beschäftigt werden. Auch ihre Käfige und Anlagen müssen sauber gemacht werden.
Besonders gern erinnere ich mich an die Spiele mit Marcus Röbke. Er wurde mein Freund und mein Bruder. Mit ihm konnte ich wunderbar raufen und rangeln, als ich noch kleiner war. Manchmal – im Eifer des Gefechtes – biß ich ihn auch. Das tat sicher ganz schön weh, denn meine Zähne waren damals schon nicht von schlechten Eltern. Aber Marcus war mir niemals böse. Lachend versuchte er, mich von der Jacke zu kriegen, in die ich mich wieder mal verbissen hatte.
Wenn ich krank war, kam mein Kinderarzt Dr. André Schüle und pflegte mich gesund. Oder sein Kollege Dr. Andreas Ochs. Der piekte mir zwar ab und zu mit einer Nadel in den Hintern, was mir gar nicht gefiel. Aber Papi Thomas sagte, dass das sein muss, damit ich nicht krank werde und so ließ ich´s mir gefallen.
All diese Menschen sind immer für mich da. Wenn die Zoo-Besucher sie ansprechen und für all das danken, was sie für mich getan haben, wehren sie meistens bescheiden ab.
Das sei normal, sagen sie. Das hätten sie gern getan. Ich würde ihnen so viel zurückgeben.
Aber wenn so etwas Besonders für sie normal ist, dann muss das Normale etwas Besonderes sein. Diese Menschen, so bescheiden sie sind und so zärtlich sie zu mir waren, sind unglaublich stark. Sie sind Berliner.
Sie sind Berlin.
Auch ich war früher klein und zärtlich. Heute bin ich stark und schön. So wie Berlin.
Ich bin Berlin.